Lav Diaz selbst mag den Begriff zwar nicht besonders, aber er hat ihn mit seinen Filmen nun mal mehr geprägt als jeder andere Regisseur, zudem passt er auch einfach ziemlich gut: Slow Cinema. Was sich als Beschreibung eines Hollywoodfilms wie ein Schimpfwort liest, macht die Werke des philippinischen Auteurs zu etwas ganz Besonderem, denn er lässt sich einfach die Zeit, die seine Geschichten zum Wirken brauchen, und wenn der Film am Ende mehr als acht Stunden lang wird wie „“, für den er 2016 auf der Berlinale mit dem Alfred Bauer Preis für die Eröffnung neuer kreativer Perspektiven ausgezeichnet wurde, dann ist das eben so. Wie sein gerade erst in den deutschen Kinos gestarteter Venedig-Gewinner „“ ist nun auch Diaz‘ Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „ In Zeiten des Teufels“ nur knappe vier Stunden lang (was ein gutes Drittel der anwesenden Journalisten trotzdem nicht davon abgehalten hat, noch während der ersten Hälfte teils fluchtartig den Saal zu verlassen). Trotz seiner für Diaz-Verhältnisse allenfalls durchschnittlichen Länge sticht „In Zeiten des Teufels“ zumindest auf dem Papier dennoch aus der Filmografie des 59-Jährigen heraus wie ein bunter Hund – das in expressiven Schwarz-Weiß-Einstellungen gefilmte, mythologisch überhöhte Drama über grausame Kriegsverbrechen Ende der 1970er Jahre ist nämlich Diaz‘ erstes Musical. 1977 hat der philippinische Diktator Marcos das Dekret Nr. 1016 erlassen, mit dem er die Bewaffnung von Zivilisten zur Unterstützung des Kampfes gegen den Kommunismus und die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung beschloss. So entstand die 73.000 Mann starke Civilian Home Defense Force (CHDF), die in der Folge vor allem für schwerwiegendste Menschenrechtsverstöße, Morde und Vergewaltigungen berüchtigt war. Feb 21, 2018 - Heißt es „auf“ oder „in“ den Philippinen? In dem vier Stunden langen Berlinale-Film „In Zeiten des Teufels“ von Lav Diaz kann man sich viele Fragen stellen. Antworten liefert der Film leider nicht. In dieser Zeit, vor diesem Hintergrund, tief im philippinischen Dschungel siedelt Lav Diaz seinen neuesten Film „Ang Panahon ng Halimaw“ an. Der Titel wird übersetzt als „In Zeiten des Teufels“, und dieser Titel übertreibt nicht, was geschieht. Die Handlung von „In Zeiten des Teufels“ ist zwei Jahre nach dem Erlass in einem südphilippinischen Dorf angesiedelt, dessen Bewohner von der CHDF terrorisiert werden. Die Ärztin Lorena (Shaina Magdayao) will dort eine Armenklinik eröffnen, wird jedoch ebenfalls von der CHDF schikaniert, weil diese auch immer wieder ganz gezielt Aberglauben einsetzt, um die Bewohner kleinzuhalten – und da würde so eine aufgeklärte Ärztin von außerhalb nur stören. Unterdessen stürzt Lorenas daheimgebliebener Poeten-Ehemann Hugo Haniway (Piolo Pascual) aus Sorge um seine Frau in eine tiefe Depression. Als er sich schließlich doch aufrafft, ihr hinterher zu reisen, ist es womöglich schon zu spät. Wer schon mal einen der Filme von Lav Diaz gesehen hat, der wird sich zwangsläufig fragen, wie zum Teufel seine entschleunigte Erzählweise und der Rhythmuswillen eines Musicals überhaupt zusammengehen sollen? Aber wie zu erwarten rückt Diaz‘ keinen Millimeter von seiner Vision ab, sondern zwingt vielmehr das Musicalhafte, sich dem von ihm vorgegebenen Tempo (oder eben Nicht-Tempo) anzupassen. Der tagalogische Sprechgesang, bei dem gefühlt jede einzelne Zeile auf „o“ endet, der nur selten melodisch ist und vollständig ohne instrumentale Begleitung auskommt, dient dabei immer auch zur Abgrenzung zwischen den Unterdrückten und ihren Unterdrückern. Während der Gesang der Helden etwas Sehnsuchtsvolles und Verlorenes an sich hat, als würden sie den Mond ansingen und jede Zeile wäre ein Strohhalm Hoffnung, an den sie sich mit letzter Kraft klammern, hat der Gesang der Bösen immer auch etwas Spöttisches und Selbstgerechtes. Vor allem der nur aus einem simplen „La. La.“ bestehende Refrain der Soldaten, wohl ganz bewusst das einzige eingängige melodische Motiv des Films, wird einen nach dem Kinobesuch noch lange heimsuchen, denn im Gegensatz zu den Strophen muss den Refrain jeder Anwesende mitsingen, selbst wenn er gerade vom CHDF verhört, gefoltert oder missbraucht wird. Wie schon der Titel und das Poster nahelegen, hat auch „In Zeiten des Teufels“ wie die meisten Filme von Diaz eine ausgeprägte mythologische Komponente. Ahas (Joel Saracho), der Anführer der örtlichen CHDF-Einheit, hat ein halbverbranntes Gesicht – und nicht nur wenn er sich in einer Szene durch eine offene Tür wie ein Vampir an den Dorfvorsteher Paham (Bart Guingona) anschleicht, sind in Diaz‘ Inszenierung die Einflüsse des expressionistischen Stummfilmhorrorkinos von Robert Wienes „“ bis zu Friedrich Wilhelm Murnaus „“ deutlich erkennbar.
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March 2019
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